01/13 - 02/13 Peru
04. Februar 2013 – Sina in the sky
Ganz leicht geht der Grenzübertritt von Bolivien nach Peru, doch gleich hinter der Stadt Puno erleben wir das erste Mal überhaupt auf unserer Reise Polizisten, die, wie soll man sagen, vielleicht ein bisschen wenig verdienen. Von zwei Beamten der Policia Carreteras, also der Straßenpolizei, werden Benny und Katrin mit ihrem Land Rover und wir an die Seite gewunken. Unsere Autoversicherung ist den beiden besonders wichtig und eine angeblich fehlende Adresse einer Versicherungsagentur in Peru, als Ansprechpartner im Falle eines Unfalls. Wie denn unsere Vornamen seien, fragt uns ein überfreundlicher Polizist und begrüßt uns dann mit Handschlag. Spätestens jetzt schwant uns, dass hier nicht alles stimmen kann. Unterdessen winkt sein Kollege alle anderen Autos durch. Unser neuer Freund fördert einen Strafkatalog zutage, der verdammt nach Heimarbeit aussieht, schön bunt und aktualisierte Auflage 2013, wie er stolz mit dem Finger zeigt. Schnell hat er auch unser „Vergehen“ gefunden – Rot auf Weis präsentiert er uns einen Absatz mit einer Summe dahinter: 444 Dollar. Wir fragten uns, ob die Strafen in Peru wohl immer in Dollar und nicht in Soles zu zahlen sein. Doch der freundliche Polizist beruhigt uns, wir sollten uns keine Sorgen machen. Er sei unser Freund und auf unserer Seite, daher müssten wir nur die Hälfte zahlen. Darüber sind wir dermaßen erleichtert, dass wir vor Glück unser schwer erlerntes Spanisch spontan und mit Absicht vergessen. „Wir verstehen nicht“ und „Wir müssen die Botschaft anrufen“, sind so gut wie die einzigen Worte, die wir noch herausbringen. Diese Taktik scheint anzuschlagen. Eine ganze Weile versucht der Beamte noch uns begreifbar zu machen, dass wir zu zahlen hätten. Ich tue so, als tippte ich die Nummer der Botschaft ins Handy. „Nein, nein“, sagt der Polizist, er sei unser Freund, die Botschaft bräuchten wir nicht. Wir verstehen nicht. Schließlich werden wir gefragt, wie viel wir denn bereit wären zu zahlen. Wieder verstehen wir nicht. So vergeht vielleicht eine dreiviertel Stunde, bis er aufgibt. „Aber ganz vorsichtig fahren“, werden wir noch belehrt und es folgt eine nun gar nicht mehr so freundliche Verabschiedung. Eine interessante Erfahrung, die wir eigentlich eher in Bolivien erwartet hätten, genau wie die zweite Begegnung am Abend, als wir gemeinsam im Schrank sitzen um zu essen.
Wir stehen auf einem Parkplatz eines schön angelegten Areals mit Ruinen der Inka, als es klopft. Es ist der Wächter des Parks und allem Anschein nach möchte er sich etwas unterhalten. Kein Problem, denke ich, biete ihm ein Stück Melone an und bitte ihn, sich doch zu setzen. Ein Fehler. Nicht nur, weil er kurz darauf beginnt, die Kerne in alle möglichen Richtungen in den Schrank zu spucken. Er interessiert sich auch über alle Maßen für unser Inventar. Bei den Schuhen bleibt er hängen, denn sie stehen genau neben ihm. Nun beginnt eine nervenaufreibende Diskussion. Er möchte meine Wanderhalbschuhe über die ich mich schon sehr geärgert hatte. Denn sie waren teuer. Und sie stinken. Keine meiner Schuhe stinken, selbst mit schon etwas älteren Socken, doch diese Schuhe, die mir noch in Kiel wärmstens empfohlen wurden, bildeten eine extrem schlecht riechende Ausnahme. In kein Auto kann ich mich setzten, meine Füße unter keinen Tisch stellen, habe ich diese stinkenden Qualitätsschuhe an. Doch dem Wächter schein das egal zu sein. Er will diese Schuhe. Geschenkt. Ich mache ein Tauschangebot: Er die Schuhe und wir eine Kette vom Stand seiner Frau, die Sina gut gefiel. Nun beginnt eine zähe Diskussion, bei der wir den Mann überzeugen wollen, dass eine Kette nicht zu viel für die Schuhe ist und er uns, dass wir schon verstehen müssten, dass er die Schuhe eigentlich geschenkt bekommen müsste. Schließlich gilt der Tausch Kette gegen Schuhe aber es war ein harter Kampf, der Abend war gelaufen. Wir empfanden es als mehr als dreist, dass die Aufsicht des Parks uns derartig unverfroren anschnorrt.
Am Morgen sind wir nach diesen Erfahrungen schon etwas vorsichtig und erwarten schon etwas negatives, als wir am Ausgang des Parks wieder aufgehalten werden. Doch dieses Mal ist die Bitte eine, die wir gern erfüllen. Und so steigen kurz darauf zwei Kinder in den Schrank, es geht einige Kilometer weiter in das nächste Dorf, in die Schule.
Noch am gleichen Tag erreichen wir Cusco, eine wirklich schöne Stadt, die wir uns allerdings nur kurz anschauen. Drei Tage verbringen wir auf einem Campingplatz nahe der Stadt, dann machen wir uns auf, Richtung Santa Teresa, nahe Machu Picchu. Eine tolle Fahrt! Peru hat eine wirklich schöne Landschaft die sehr oft an die Schweiz oder an Norwegen erinnert, nur noch satter und grüner. Fast die ganze Zeit geht es zwischen den Anden hindurch oder die Anden hinauf und hinunter, immer wieder sind Wasserfälle oder kleinere Flüsse zu durchfahren, die einfach über die Straße geleitet werden. Und fast die gesamte Zeit liegt links oder rechts ein reißender Fluss. Fünf Stunden geht es über Asphalt, dann folgt eine Schotterstraße, die uns sehr an unsere Tour auf der „Todesstraße“ in Bolivien erinnert. Highlight hier ist eine behelfsmäßige Brücke, die, schon sehr marode, nach Aussage eines Schildes drei Tonnen trägt. Wir erreichen sie schon in der Dunkelheit und wollen dem Schild nicht ganz vertrauen. Drei Tonnen – so viel wiegt unser LT 28 und die Brücke ist alt, manche Planken gebrochen oder gänzlich verschwunden. Sollen wir umdrehen oder erst einmal vor der Brücke übernachten? Schließlich trauen wir uns und alles geht gut – auf dem Rückweg werden wir schon voller Routine hinüber fahren. Eine halbe Stunde später kommen wir in Santa Teresa an und werden in der ZipLine-Basis Cola de Mono schon erwartet. Was für ein Gelände, traumhaft und mitten im Dschungel gelegen. Geduscht wird unter freiem Himmel mit Bambuswänden als Sichtschutz. Zwei Toiletten sind ähnlich gebaut und ohne Türen, dafür, im Falle einer Sitzposition, mit offenem Blick entweder in den Urwald oder auf einen großen Fluss, in dem wir am nächsten Tag noch ein Bad nehmen. Bananen, Limetten und Avocados pflücken wir direkt von den Bäumen. Auch Kaffee wird hier angebaut. Ganz in der Nähe besuchen wir heiße Thermen – es sollen mal die schönsten in Südamerika gewesen sein. Doch dann riss der Fluss, gleich nebenan, einen Großteil der Anlage mit sich. Doch auch heute sind die Thermen auf jeden Fall einen Besuch wert. Drei Becken mit unterschiedlichen Temperaturen und glassklarem Wasser, direkt neben einem brausenden Fluss, einfach schön.
Dann geht es nach Machu Picchu. Morgens um halb sieben holt uns das Taxi und bringt uns zur Station der PeruRail. Drei Wagons fahren ein, zwei für das normale Volk und einer für Touristen. Er hat Oberlichter, es spielt Musik und es gibt eine Zugbegleiterin, bei der man Pringels und Coca Cola kaufen kann. Alles überflüssig, alles für ein sogenanntes „Expeditionsticket“ und alles für den zwanzigfachen Preis. Wir wären lieber mit den Einheimischen gefahren, doch das ist nicht erlaubt, Tourismus pur. Dennoch genießen wir die Fahrt durch den Dschungel, eine halbe Stunde lang. Mit dem Bus geht es anschließend von Aquas Calientes aus weiter die Berge hinauf zu den Ruinen. Trotz der überzogenen Preise für den Zug, für den Bus und das eigentlich Ticket für Machu Picchu, für das Touristen mehr als doppelt so viel zahlen, als Einheimische, hat es sich gelohnt. Oben angekommen ändert sich unsere Meinung von „Machu Picchu ist Pflichtprogramm“ in „Gut, dass wir das gemacht haben“. Die landwirtschaftlich genutzten Terrassen, die Wohngebäude, die Tempel und die Pfade im Fels, das Wassersystem, die Inkabrücke und alles andere sind einfach faszinierend. Drei Stunden laufen wir durch die verlorene Stadt der Inkas, dann geht es zurück in den Ort. Wir verzichten auf das Zugticket, laufen stattdessen an den Gleisen, rennen durch die Tunnel und genießen die Landschaft.
Am nächsten Tag erweise ich mich als kleiner Feigling und bin dabei glücklicher Weise in guter Gesellschaft. Die Guides steigen mit uns auf einer privaten Tour den Berg hinauf zu den Ziplines. Eine halbe Stunde geht es steil bergauf. Wie lange hatte ich mich darauf schon gefreut. Sechs Kabel sind zwischen den Bergen gespannt, weit über dem Dschungel und einem reißenden Fluss. Bis zu 180 Meter hoch und 400 Meter lang. Beim ersten Kabel ist Sina gleich die Erste. Die Rollen rasten ein, die Beine werden angezogen und weg ist sie. Ohne viel nachzudenken schwebt sie davon. Kurz darauf sind auch die beiden anderen Frauen abgereist – Benny und ich gucken ein bisschen blöd aus dem Geschirr. Auch ich lasse mich an das Kabel hängen und ziehe die Füße an. Der Guide lächelt, hat er mich doch überredet. Doch ich kann mich nicht überwinden loszulassen. Zuvor hatte ich mir die Befestigungen der Kabel angesehen, ab da an ging das Denken los. Und zu viel Denken ist nicht gut. Alle Überredungskunst des Guide nützt nichts, ich werde wieder abgeschnallt und fühle mich ab da an für die schönen Fotos zuständig. Ganz ähnlich geht es auch Benny, auch er verweigert den Flug über die Schlucht. So laufen wir also den Berg wieder hinunter, von Station zu Station und beobachten, wie es den Frauen so ergeht. Bestens, so scheint es. Sina mutiert sogar zur Superwoman und fliegt nun nicht mehr sitzend, sondern nach vorn gestreckt über die Baumwipfel. Eine Figur, bei der der Guide mitfährt, um die Beine oben zu halten. Mutig! Aber, ach, wir brauchen so etwas nicht. Wir stapfen den Berg hinunter, pflücken ein paar Avocados und Limetten. Ob das männlich ist? Na klar. Wir wollten Geld sparen. Wir wollten das Selbstbewusstsein unserer Frauen stärken. Wir wollten für unsere Frauen die unvergesslichen Momente fotografisch festhalten. Und schließlich haben wir ein Verantwortungsbewusstsein und wissen, wann etwas sicher ist. Vielleicht waren wir auch nur ein bisschen feige, aber das muss ja keiner wissen. Glücklicher Weise bringt der Abend dann noch einmal ein Abenteuer ganz nach unserem Geschmack – gemeinsam springen wir noch einmal in die heißen Thermen, ich sogar besonders mutig, mit einem Kopfsprung.
Heute stehen wir zum zweiten Mal auf dem Innenhof des Hotel Maison Swiss in Nasca. Vor 4 Tagten waren wir schon einmal hier und fuhren dann noch einmal, gemeinsam mit Benny und Katrin, an einen tollen Strand am Pazifik. Puerto de Inka, also Hafen der Inka, so der Name. Von dort aus sollen zu Zeiten der Inkas die Früchte des Meeres mit Läufern bis nach Machu Picchu transportiert worden sein. Sonne, Ozean, Strand und Lagerfeuer – ein richtiger Badeurlaub während der Reise. Heute Morgen haben wir uns nun getrennt, nach fast vier schönen Wochen der gemeinsamen Reise, für die beiden geht es weiter Richtung Süden, für uns nach Norden. Was gibt es sonst noch zu berichten? Wir haben die Stadt Copacabana in Bolivien besucht, am Titicacasee übernachtet und setzten mit abenteuerlichen Fähren über, die uns stark ans Mittelalter erinnerten. Ach – und es gab Meerschwein! Direkt vom Stand am Straßenrand, lecker, fettig und mit kroscher Haut. Doch man findet kaum Fleisch an den kleinen Tieren. Schon schön, es mal probiert zu haben, doch ein lecker Hühnchen ist auch was Nettes.